B&B – Baden & Biken

 

 

 

Die Costa Brava, ein wilder Küstenabschnitt im Norden Spaniens, am Fuße der Pyrenäen, lädt nicht nur den sonnenhungrigen Badetouristen sondern auch den kurvenhungrigen Motorradfahrer zu einem Besuch ein. Eingeladen fühlte sich auch Karl Spiegel (Text und Fotos), der dort die eckig gefahrenen Reifen der langen Anfahrt wieder abrunden konnte.

 

 

 

Die wilde Küste, wie dieser Küstenabschnitt oft bezeichnet wird, macht ihrem Namen alle Ehre. Mit voller Wucht treffen mich die Organböen des berüchtigten Tramuntana Sturmwindes am Col de Baitros, dem Grenzpass zwischen Frankreich und Spanien und dem Beginn eines der schönsten Küstenabschnitte im Norden der iberischen Halbinsel, in Katalonien.

 

 

 

Es ist so laut, dass ich nicht einmal mitbekomme, wie es meine schwere 1200er BMW, auf dem Seitenständer stehend, ganz einfach umweht. Sie wieder aufzurichten gelingt mir gegen den Wind nicht einmal im Ansatz. Nur mit Hilfe der, ebenfalls vom Wind flach auf die Straße geworfenen, beiden Mountainbiker schaffen wir es. Und beide müssen mich, bis ich mit Vollgas losfahren kann, auch stabilisieren, sonst würde ich sofort wieder umfallen. Nur wenige Meter die Passstraße hinunter und ich bin im Windschatten der Berge. Es ist als würde nur ein sanfter Wind wehen, während draußen auf dem aquamarin blauen Meer die Gischt über die Schaumkronen der Wellen peitscht. Port Bou, die nächste kleine Stadt ist etwas für Technik interessierte und Eisenbahnfans. Auf den vielen Geleisen werden bei nach Frankreich durchfahrenden Zügen und Güterwagons die Achsen gewechselt oder angepasst. Denn im Gegensatz zu fast allen Ländern Europas hat die Eisenbahn eine andere, eine breitere Spur. Eigentlich, ja eigentlich sollte ich die alte Trasse über den Bergrücken in Richtung Süden nehmen. Geprägt vom Schock über meine eigene Dummheit - man stellt kein Motorrad bei starkem Wind quer zur Windrichtung - nehme ich die Tunnelvariante. Doch es sind noch genügend Kurven-, Gefälle- und Steigungsstücke übrig für einen gemütlichen Kurventanz. Die Straße windet sich so spektakulär die Küste entlang als wäre es ein Alpenpass den man einfach ins Wasser gesetzt hätte. Direkt am Ortseingang von El Port de la Selva zweigt eine steil den Berg hinauf führende schmale Straße ab. Sechs Kilometer auf immer schlechter werdender, meist einspurigen Trasse, heißt es aufpassen. Die schweren Regenfälle der Nacht haben an den unmöglichsten Stellen, Sand, Kies und Steine auf die Ideallinie gespült. Belohnt wird die Fahrt durch einen weitreichenden Blick auf Meer, hinüber nach Frankreich und in die Bucht von Roses. Am ehemaligen Kloster San Pere de Rodes ist dann allerdings Schluss. Das Benediktinerkloster aus dem 10. Jahrhundert bietet mit seiner exponierten Lage einen unvergesslichen Blick weit auf das Meer hinaus und über das sich im Osten anschließen Kap. Mit Bedacht geht es wieder hinunter ins touristisch noch einigermaßen verträgliche La Selva.

 

 

 

Das schöne am Motorradfahren an der Costa Brava ist auch, dass man meist bis direkt in den Ort oder zum Hafen fahren darf, wo für die Zufahrt mit Autos schon längst Schluss ist. Dazu gibt es ausgewiesene, kostenfreie Abstellplätze. Eine gut ausgebaute mit sanften Kurven versehene Straße führt durch das Küstengebirge in Richtung Cap de Creus. Am Ende der Straße wartet ein besonderer Ort. Cadaqués, oft auch als die weiße Stadt bezeichnet, hat ihrer beengten Lage zwischen den im Norden, Osten und Süden aufragenden Bergen und dem im Westen begrenzenden Meer es zu verdanken, dass der Ort nicht mit großen Hotelbauten verschandelt wurde. Direkt am kleinen Strand parke ich meine BMW, genieße in einer der unzähligen, kleinen Cafes einen starken Cafe Solo, einen spanischen Espresso. Genieße das Schaukeln der bunten Fischerboote und den Blick auf das in der Sonne glitzernde Meer. Solchermaßen gestärkt mache ich mich auf die Spuren des Malers und Künstlers Salvator Dalí, einer der Hauptvertreter des Surrealismus. Ich finde sein Haus ganz in der Nähe, in der Bucht von Port Lligat. Schon von weitem sind die riesigen weißen Eier auf dem Dach des Hauses zu sehen, welches heute ein Museum über das Leben und Wirken des Meisters beinhaltet. Wer noch mehr über und von Dalí erfahren möchte, sollte in das dreißig Kilometer entfernte Figueres fahren und dort das von ihm noch zu Lebzeiten errichtete Teatre-Museu besuchen. Mich jedoch zieht es hinunter in die Bucht von Roses, während ich dabei die wohl von einem Motorradfahrer konstruierte Straße genieße. Irgendwie ist der Spagat zwischen zügigem Fahren und dem Genießen der Landschaft gerade auf solchen Strecken nicht einfach. Schwinge ich zügig die Kurven, sehe ich kaum etwas von der faszinierenden Gegend. Fahre ich im langsamen „Landschaftsgenießen“ Modus, fehlt mir das rasante Kurvenschwingen. Doch ich finde die Lösung. Einmal befahre ich die Strecke im Cruisermodus, dann drehe ich um und fahre noch einmal die gleiche Straße im Racingmodus.

 

 

 

Ab dem Küstenort Roses ist es zunächst einmal vorbei mit Kurven und Bergstrecken. Im Schwemmland des La Muga Flusses gibt es nur gerade Straßen. Doch dort finde ich sie noch, die kleinen, verträumten Dörfer, die vom Massentourismus verschont sind. Dorfbewohner sitzen laut schwatzend und heftig diskutierend in den winzigen Bars, In den engen Gassen flattert die bunte Wäsche auf Leinen die quer über die Straße gespannt sind. Mein nächstes Ziel ist die antike Ruinenstätte von Empùries. Auch die Griechen und Römer wussten schon wo es schön ist. An einer malerischen Bucht gelegen, ankerten seit dem 5. Jahrhundert die Handelsschiffe. Diese sind zwar nicht mehr vorhanden, doch die gut restaurierten Mosaik Fußböden der Tempel und Villen lassen die Geschichte lebendig werden. Nach einigen Stunden schattenlosem Schlendern durch die Geschichte zieht es mich außerhalb des Geländes hinunter an den Strand wo ich im Schatten der Bäume erstmal einen Mittagsschlaf mache. Fast schon etwas fröstelnd wird es Zeit wieder die Maschine zu starten. Denn heute möchte ich noch den großen Strand von L’Estartit besuchen. Luftlinie sind es von Empúries dorthin nur acht Kilometer, doch dazwischen liegt ein Bergrücken ohne Straßen, so dass es 22 Kilometer zurück zu legen gilt. Vom alten Charm des Ortes ist nichts mehr übrig geblieben. Doch der Strand ist wirklich überwältigend. Er ist so breit, dass man sogar einen Teil davon als Parkplatz nutzt. Für nicht zu Seekrankheit neigende Besucher bietet sich an, die vorgelagerten, unbewohnten Inseln Medes, per Boot zu besuchen. Meiner Schwäche bewusst, verzichte ich aber lieber. Lieber sitze ich auf dem nicht schwankenden Sattel meiner Maschine. Gerade abends, wenn die Tagestouristen längst wieder in ihren Hotels sind, ist das Schlendern durch das mittelalterliche Pals zu empfehlen. Dort, wo sich tagsüber Busladungen von Besuchern durch die wenigen engen Gassen zwängen, ist es nun kurz vor Sonnenuntergang, ruhig geworden. Üppige Blumenpracht mit leuchtend roten Geranien säumen die alten Sandsteinmauern. Schade, dass sie nicht erzählen können was sie alles in den vergangenen Jahrhunderten gesehen und erlebt haben. Bei einem frisch gezapften, einheimischen Bier, dem Blick in die untergehende Sonne gerichtet lasse ich diesen ersten Fahrtag sanft ausklingen.

 

 

 

Von Pals nehme ich am nächsten Tag die Straße Richtung Westen, zunächst dem Wegweiser „Golf Playa de Pals“ folgend. Nicht weil ich zum Golf spielen möchte, sondern weil es dort an der Küste viele kleine romantische Buchten gibt. Es ist nicht leicht die richtige Straße entlang der Küste zu finden. Oft, sehr oft, lande ich in Sackgassen. Und auch das Navi weiß meist keinen Rat. Nicht nur der intensive Pinienduft lässt meinen Blutdruck in Wallung bringen, es sind vor allem die extrem engen Spitzkehren und das Wenden der Maschine an Steilhängen. Doch irgendwann habe ich es nach Aiguafreda geschafft und strecke erstmal, in der gleichnamigen Bucht, meine heißen Füße in das kühlende Nass des Meeres. Höhenmeter mache ich an diesem Tag sehr viele, heißt es doch auf meinem weiteren Weg, immer wieder von den kleinen Stränden die schroffen Küstenhügel hinauf zu fahren um in die nächste Bucht zu gelangen. Zeit wird bei dieser Fahrt relativ. Ich finde mit viel Mühe den Verbindungsweg hinunter nach Fronells de Mar, Tamiriu und weiter nach Callela de Palafrugell. Direkt an der Uferpromenade gönne ich meiner Kupplungshand eine Auszeit. Verträumt schaue ich auf das Meer hinaus als mich ein älterer Gast des Restaurants anspricht und sagt, dass er auch mit dem Motorrad unterwegs sei. Dabei deutet er auf die alte, feuerrote Montesa, die auf der anderen Straßenseite steht. Sichtlich stolz ist er auf sein katalonisches Motorrad, welches einst in Barcelona gebaut wurde. Bereits seit 1985 sei Montesa allerdings nicht mehr selbstständig und gehöre zum Honda Konzern, fügt er hinzu. Und dann sagt er mir noch, dass er nur am Sonntag seinen Oldtimer ausfährt, ansonsten sei er mit einem großen Roller unterwegs, von Honda. Ab Callela de Palafrugell gibt es nun keine am Meer verlaufende Möglichkeit direkt entlang zu fahren. Über den Hauptort Palafrugell führt eine teilweise vierspurig ausgebaute Schnellstraße zur nächsten größeren Ortschaft, Palamós. Doch zuvor lohnt sich ein Abstecher zu den Badebuchten von La Fosca. Um zur Cala S’Alguer, El Castell, Cala Cabertera oder Cala Canyers zu gelangen, heißt es das Motorrad abzustellen und fünf- bis achthundert Meter zu Fuß zurückzulegen, denn eine Absperrung kann nicht umfahren werden.

 

 

 

Palamós, eine Ortschaft mit rund 18.000 Einwohner hat drei Gesichter. Erstens, der riesige, sichelförmige und fast zweieinhalb Kilometer lange Sandstrand mit der üblichen, touristischen Infrastruktur. Zweitens der alte Ortskern, mit den engen Gassen und dem intakten Leben der einheimischen Bevölkerung. Und drittens, der Fischerhafen. Das Hereinkommen der Fischerboote zwischen vier und fünf Uhr nachmittags sollte man sich nicht entgehen lassen. Die Fischversteigerung findet zwar mittlerweile hinter verschlossenen Türen statt, doch die in der gleichen Halle befindlichen Verkaufsstände bieten den Fisch, im wahrsten Sinne des Wortes, fangfrisch an. Ganz in der Nähe befindet sich auch das einzige Fischereimuseum des Mittelmeerraumes. Wer seefest und Frühaufsteher ist, sollte das Angebot nutzen und auf einem echten Fischtrawler mitfahren um den Fischfang auf dem Meer live mitzuerleben. Da ich vor allem nicht seefest bin, steige ich doch lieber auf den Sattel meiner Maschine.

 

 

 

Immer Richtung Süden durchquere ich den rein touristischen Strandort Platja d’Aro. Wer Lust auf Shopping hat kann sich hier auf zwei Kilometer beiderseits der Hauptstraße austoben. Den nächsten Ort, Sant Feliu de Guixols, obwohl mit einer netten kleinen Strandbucht gesegnet, streife ich nur.

 

 

 

313 murmle ich in den Helm als ich das Ortschild von Lloret de Mar passiere, 313 Kurven. Dieses Sahnestück der Costa Brave beginnt direkt im Ort Sant Feliu. Schon wenige Meter nach den alten römischen Thermen geht es kurvig und steil den Berg hinauf. Obwohl die Straße gut ausgebaut ist muss ich mich konzentrieren, denn hier ist er wieder, der Spagat zwischen Sightseeing und Kurvengenießen. Bei dieser Berg- und Talfahrt und dem nicht endenden Kurvengeschlängel würden auch Alpenpassstraßen neidisch werden. Und eines könnten sie nicht bieten, diesen ständigen Blick in Buchten mit aquamarinfarbenem Wasser. Wer will kann auf steilen Fußpfaden dort dem Badevergnügen nachgehen. Plötzlich sehe ich nur noch rot. Aus heiterem Himmel vollführt das vor mir fahrende Auto eine Vollbremsung. Gleich darauf stürzen die Passagiere heraus um sich im Gebüsch des Frühstücks zu entledigen. Angesichts der schier unendlichen Kurven verwundert mich dies allerdings nicht. Nach 22 Kilometern laufe ich im Städtchen Tossa de Mar ein. Zwischen steil abfallenden Klippen spiegelt sich in der kleinen Bucht die alte Stadtbefestigung mit der Festungsanlage Sehr romantisch ist dieses Fleckchen schon gestehe ich mir ein. Offensichtlich dachte dies auch der Maler Marc Chagall, der diesen Ort in den 1930er Jahren zu seinem Motiv machte. In der Nebensaison lässt es sich aushalten, in der Hauptsaison platzt der Ort aus allen Nähten, verzehnfacht sich doch im Sommer die Einwohnerzahl. Eine deutlich breitere, jedoch immer noch sehr kurvenreiche Straße führt mich weiter nach Lloret de Mar. 313 Kurven liegen hinter mir.

 

 

 

Vor mir liegt nun ein schmaler, kleiner Strand, eine verstopfte Promenadenstraße und ein Hotel, Restaurant und Souvenierladen am anderen. Auch dies ist ein Teil der Costa Brava. Noch elf Kilometer zieht sich dieser extrem touristisch erschlossene Küstenstreifen hin. An der Mündung des Flusses La Tordera, südlich des Ortes Blanes, endet ziemlich unspektakulär die wilde Küste. 313 geistert es mir durch den Kopf. Ich fahre zurück mit Kurs Nord, noch einmal durchs Kurvenparadies am Meer. 311, 312, 313, …

 

 

 

 

Anreise / Reisezeit

 

 

Von Lyon kommend bietet sich für die schnelle Anreise die A 7 und die A 9 bis zur Ausfahrt 43 / Le Boulou an. Von dort weiter nach Argeles-sur-Mer und Port Vendres. Bereits hier beginnt auf der D 914 bis zum französisch/spanischen Grenzpass Col des Balistres der Kurvenspass.

 

 

 

Die Costa Brava kann ganzjährig bereist werden. Die schönste Zeite ist das Frühjahr. Einerseits weil in dieser Zeit die Vegetation in voller Blüte steht und andererseits noch kaum Touristen vor Ort sind. Allerdings wird das Meer erst so ab Juli, August mit 22 bis 24 Grad angenehm warm. Der Herbst ist eine gute Mischung zwischen wenig Verkehr und immerhin bis Mitte Oktober, noch 22 Grad Wassertemperatur.

 

 

 

Unterkünfte

 

 

Die folgenden TF-Partnerhäuser liegen in der näheren Umgebung der Costa Brava Tour. „La Casa Holly“ in Capmany, “Mas Can Lluís“ in Cistella, „Hotel Els Cacadors de Maçanet“ in Maçanet de Cabrenys und „Masia La Pineda“ in Maçanet de la Selva. Weitere Infos hierzu und zu den TF-Partnerhäusern auf der Anreise und im weiteren Umfeld gibt es unter www.tourenfahrer-hotels.de.

 

 

 

Literatur / Karten / Internet

 

 

Reiseführer: Costa Brava mit Barcelona, Reise-Know-How-Verlag, 384 Seiten, 9. Auflage, ISBN 978-3-8317-2714-8, 14,90 Euro.

 

Karte: Costa Brava, Barcelona und Umgebung (Michelin Zoomkarte) Maßstab 1:150.000, ISBN 978-2067140752, 7,99 Euro.

 

Internet: Costa Brava – Pirineu de Girona, auf Deutsch, Patronat de Turisme Costa Brava Girona, www.costabrava.org

 

 

 

Sonstige Infos

 

 

Die Tour, eine reine Straßentour, ist mit allen Motorradtypen machbar. Allerdings sollte die Maschine auch in sehr engen und steilen Spitzkehren gut beherrscht werden. Stets sollte man Badeklamotten, Handtuch, Sonnencreme mitnehmen, denn die winzigen Badebuchten laden an vielen Stellen unvermittelt zum Bad im Meer ein. Für den kunstinteressierten Reisenden ist Katalonien sehr ergiebig. Bekannte Künstler und Museen sind unter anderem. Antoni Gaudi – bedeutender Baumeister und Architekt, Pablo Picasso (www.museupicasso.bcn.cat), Joan Miró (www.fmirobcn.org) und natürlich Salvador Dalí (www.salvador-dali.org)

 

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