Bali - Traumstrände, Traumlandschaften und vor allem ... Traumstraßen

Erschienen im TOURENFAHRER Dezember 2012


 

Auf Bali gibt es viel zu entdecken. Neben Traumstränden, Traumlandschaften gibt es jede Menge Traumstraßen. Karl Spiegel (Text und Bilder) und Bärbel Müllner (Bilder) erlebten auf 200 cm³ ein wahres Motorradparadies.

Nach zwei Tagen zu Fuß im Künstler- und Ferienort Ubud, endlich heute der große Tag. Wir holen unser bereits in Deutschland übers Internet bestelltes Motorrad ab. Was im Internet nach einer größeren Firma ausgesehen hat, entpuppt sich als kleiner Laden, der neben der Moped und Motorradvermietung, auch noch Touren und Immobilien anbietet. Aber für Bali ist dies ein großer Laden, wir müssen einfach mal die europäischen Maßstäbe über Bord werfen. Doch der erste Eindruck beruhigt alle europäischen Nerven wieder. Eine nagelneue Maschine, mit gerade einmal 51 km, steht vor uns. Eine Honda Tiger mit 200 cm³ aus indonesischer Produktion. Jetzt noch schnell unsere aus Deutschland mitgebrachten Helme und Handschuhe anziehen und es kann losgehen.

 

Der Verkehr ist nur halb so chaotisch, wie uns dies alle Reiseführer weismachen wollen. Zunächst werden wir an einem leichten Berg gleich mehrfach „abgehängt“. Aber an 1.000 cm³ weniger als zuhause, muss man sich erst mal gewöhnen. Straßenschilder rund um Ubud sind recht selten und meist an lustigen Positionen befestigt oder sind längst von Pflanzen überwuchert. Bei der Orientierung hilft nur die gute alte Landkarte und natürlich das Fragen. Zunächst führt uns eine vielbefahrene, kerzengerade Straße in die Hochburg der Holzschnitzerei nach Mas.

Hier reiht sich Holzschnitzer an Holzschnitzer. Vieles kommt uns bekannt vor, das wir im heimischen Supermarkt schon gesehen haben. Dennoch lohnt es sich mal tiefer in den einen oder anderen Laden einzutauchen und den Holzschnitzern bei ihrer filigranen Arbeit zuzusehen. Wenige Kilometer weiter gibt’s noch mal Kultur pur. Tief im Flusstal erstreckt sich das Areal des Goa Gajah Tempels mit der sogenannten Elefantenhöhle. Elefanten würden da zwar niemals hineinpassen, selbst wir großen Europäer müssen unseren Kopf am Eingang etwas einziehen. Innen erwarten uns im Halbdunkel zwei uralte Altäre. Doch nun erst mal wieder zurück in den Verkehr. Überall fährt man „auf Lücke“. Und Lücke bedeutet hier, dass dort wo eine Lücke im Verkehrsfluss ist in die ein Moped oder Motorrad hineinpasst, man auch hineinfährt, egal ob ein Lastwagen entgegenkommt. Schnell haben wir uns dieser Sitte angepasst und genießen den quirligen neuen Fahrstil. Abends entspannen wir beim traditionellen Legontanz mit Gamelanmusik im Tempel Pura Dalem in Ubud. Da wir in der ersten Reihe sitzen, ist das deutlich lauter als eine offene Auspufftüte.

 

Noch etwas unwillig, trotz Choke, nimmt unsere kleine Honda am nächsten Morgen das Gas an. Schon komisch, dass selbst bei 28° Celsius das Warmlaufenlassen zum morgendlichen Ritual gehört.

 

Auf der Suche nach den Reisterrassen führt uns der Weg immer tiefer in dieses grüne Land hinein. Dies ist das wahre, das ungeschminkte Bali. Kleine und kleinste Straßen, Kurven, Steigungen, Gefälle mit weit mehr als 20% erfreuen das Motorradfahrerherz. Teilen dürfen wir uns die Straße mit Hunden, Hühner, Enten, Gänsen, Kindern. Langsam fahren wir vorbei an reisstrohgedeckten Häusern und vielen kleinen Miniläden in denen es auf drei Quadratmetern aber fast alles gibt. Überall werden wir angelächelt und unser Lächeln wird stets erwidert, ein schönes Gefühl. Endlich haben wir das gefunden nach dem wir gesucht haben, die Reisterrassen. Sattes Grün wechselt mit kristallklarem Wasser, der blaue Himmel spiegelt sich zwischen den Reispflanzen. Kunstvoll bis hinunter ins Tal schmiegen sich die grünen Terrassen an die Hügel.

Endlich steht die Fahrt in den Norden der Insel an. Leider haben sich die Regenwolken ausgerechnet heute, nicht wie üblich ab acht Uhr verzogen. Es regnet monsunartig. Aber egal, schließlich hat es ja 28°C. Die Balinesen hängen sich nur einen Regenponcho über, denn eine Regenjacke ist bei diesen Temperaturen und der sehr hohen Luftfeuchtigkeit völlig ungeeignet. Wir haben beides nicht, also muss die Windstopperjacke ausreichen. Zunächst in westlicher Richtung kreuz und quer in Richtung der Hauptstraße nach Norden tasten wir uns vor. Auch hier kaum Wegweiser, die uns weiterhelfen. Allerdings verfehlen kann man die Hauptstraße nicht, denn dichter Verkehr brandet uns entgegen. Anfangs ist die Straße unspektakulär gerade und steigt auch nur leicht an.

Doch zunehmend werden die Lastwagen langsamer, das Qualmen aus riesigen Auspuffrohren unerträglicher. Aber wir haben ja die Tiger. Leicht und schnell können wir alles überholen und haben ein Paradies für Motorradfahrer vor uns. Wir genießen die vielen zügig zu fahrenden Kurven. Trotz der nassen Straße greifen die Reifen auf dem Asphalt erstaunlich gut. Je weiter wir der Passhöhe zustreben, desto dichter wird der Nebel und desto kälter wird es. Bald sehen wir nur noch 30 Meter weit. Von den links und rechts aufragenden, über 2.000 Meter hohen Bergen ist natürlich auch nichts zu sehen. Ein kurzer Zwischenhalt im Botanischen Garten ist auch nicht wirklich erheiternd. Nebel, Regen, Kälte, als wären wir im Herbst in den Alpen.

 

Auf der Passhöhe beim Ort Ganda Kunning heißt es erstmal aufwärmen. Zwischenzeitlich ist die Temperatur unter 18° C gefallen und es gibt keine einzige trockene Stelle mehr am Körper. Laut den Einheimischen soll die Sonne allerdings in etwa acht Kilometer Entfernung wieder scheinen. Und tatsächlich am Gitgit Wasserfall trocknen unsere Klamotten in der strahlenden Sonne. Die wunderschöne Passabfahrt mit diesen alpinen Kurven zwischen Bananen und Palmen macht süchtig. Links, rechts, links, rechts ohne ein gerades Stück dazwischen, einfach motorradgenial. Kurz vor der ehemaligen Hauptstadt Singaraja wird’s richtig heiß und wir fahren geradewegs auf das türkisblaue Meer zu. Entlang der Nordküste geht es weiter Richtung Osten. Je weiter wir uns von Singaraja entfernen, desto schmaler und kurviger wird die Straße. Trotz der starken Mittagshitze ist die Strecke ein Genuss. Denn links immer wieder atemberaubende Blicke aufs Meer, rechts die vielen kleinen Häuschen und überall lächeln uns die Menschen zu. Am wichtigsten Tempel Nordbalis machen wir, nachdem sich auch das Hinterteil mächtig zu Wort meldet, eine Pause. Doch in den Tempel Panjah Bata kommt man mit einem Sarong allein nicht hinein. Wir leihen uns neben einem Bauchtuch auch noch den traditionellen Kopfschmuck, den Udeng. Dann werden wir mit Reis auf Stirn und Hals und heiligem Wasser gesegnet. Von hier sind es nur noch zehn Kilometer nach Bondalem in unser neues Domizil, dem Bali Mandala Resort. Dieses, auch schon durch eine Reportage des ZDF bekannte Resort, haben wir bereits in Deutschland gebucht. Dreaming in Paradise, mehr fällt uns dazu nicht mehr ein. Liebevoll eingerichtete kleine Bungalows zwischen tropischen Blumen, im Schatten der großen Kokospalmen. Nicht zu vergessen, der Blick von der Terrasse hinaus auf das unendliche Meer. Davor dümpeln die traditionellen Auslegerfischerboote in der leichten Dünung. Ein schwarzer Lavakiesstrand und ein Korallenriff direkt davor, machen diesen Platz zu einer wahren Urlaubsoase.

 

Am Ostrand des Dorfes Bondalem zweigt eine Straße hinauf zum Batur-Krater-See ab. Gleich beginnen die ersten Kurven und der steile Anstieg. Eintausendfünfhundert Höhenmeter dürfen wir auf nur neun Kilometer überwinden. Kurve an Kurve, nahezu kein gerades Stück führt uns Meter um Meter nach oben. Spitzkehren, die selbst das Stilfser Joch erblassen lassen. Diese Spitzkehren sind sehr besonders, denn inmitten der Kurve steigt diese um über 30 % Steigung an. Die Tiger muss nun immer öfters bis hinunter in den ersten Gang geschaltet werden. Zu zweit heißt es für das kleine Motörchen gewaltig zu arbeiten. Kurve um Kurve bleiben erst die Kokospalmen und dann die Bananenstauden zurück und werden von Laub- und Nadelbäumen abgelöst. Doch sind es die vielen Kurven oder der betörende Duft der einem die Sinne raubt? Das Rätsel löst sich nach der nächsten Biegung. Überall im Dorf werden links und rechts der Straße Gewürznelken zum Trocknen ausgebreitet. Der Duft nach Weihnachtsmarkt begleitet uns noch einige Dörfer weiter.

 

Oben auf dem alten Kraterrand bereitet uns das Dorf Penelokan einen atemberaubenden Blick tief hinunter auf den kobaldblauen Batur-See und hinauf zum immer noch als aktiv geltenden Vulkan Batur, dessen großer Ausbruch vor vierzig Jahren große Teile des Tals verwüstete. Für die Sicht auf den größten Berg Balis, den 3.142 Meter hohen Agung sind wir aber heute eindeutig zu spät. Eine Wolkeninsel hüllt den heiligen Berg der Balinesen bereits ein. Steil, sehr steil, stürzt sich der Weg vom Kraterrand hinunter zum See. Auf nur zwei Kilometer geht es 400 m nach unten. Es ist ruhig zu dieser Jahreszeit am See, nur auf den Feldern am See herrscht emsiges Treiben. Und viele fleißige Hände ernten hier die leckeren, roten, kleinen Zwiebeln. Wäsche wird wie in alter Zeit von Hand am Ufer gewaschen. Alles wirkt ruhig und friedlich.

Wir sind am See, also was liegt näher als im nächsten Restaurant im Ort Sangan Fisch zu bestellen. Da hier, wie fast überall auf Bali, noch richtig und erst nach der Bestellung gekocht wird, dauert es natürlich ein Weilchen bis wir unseren Hunger stillen können. Dann aber steht das köstliche Gericht vor uns. Über und über mit Zwiebeln belegt, ein urzeitlich aussehender Fisch. Urzeitlich groß sind selbst die dicken Gräten, die aber das Essen dadurch auch erleichtern. Köstlich zergeht jeder der gegrillten Happen auf der Zunge. Ein kulinarisches Highlight. Viel zu schnell ist der Teller leergegessen. Jetzt einen Mittagsschlaf machen sagt der Körper, aber der Kopf sagt: rauf aufs Motorrad und wieder hinauf auf den Kraterrand. Zunächst fahren wir einer Achterbahn gleich über den kaum verwitterten Lavastrom, auf dem auch kaum etwas wächst. Unheimlich sich vorzustellen, dass dieser Lavastrom hunderten von Menschen das Leben gekostet hat, Tempel und Häuser verschlang.

 

Inzwischen haben sich die Wolken oben auf dem Rand weiter verdichtet und wir fahren durch leichten Nieselregen und kühlen Nebel. Das wäre sicherlich zu Kolonialzeiten den holländischen Bewohnern sehr bekannt vorgekommen. Aus der Kühle schwingen wir uns wieder hinunter an`s Meer. Mehr und mehr werden wir mutiger und mehr als einmal kratzen die Fußrasten.

 

Nach einem stundenlangen Frühstück mit Blick auf die balinesische See, zieht es uns wieder aufs Motorrad. Wir haben von einem Wasserfall gehört, der in der Nähe kühles Nass aus den Bergen bringen soll. Deshalb kurz entschlossen Badehose anziehen und mit dem Gedanken an prickelnde Abkühlung starten. Acht Kilometer östlich des Dorfes Bondalem kündigt uns schon ein Hinweisschild den Wasserfall an. Leicht, mit Lavasand bedeckt, steigt die Straße bergan. Unvermittelt kommen enge Kurven und eine Steigung, die ich zuletzt nur beim Endurotraining erlebt habe. Vom kleinen Autoparkplatz führt noch ein Trampelpfad fünfzig Meter ganz offiziell zum Motorradparkplatz am Eingang zur Schlucht. Dort können wir unsere Helme abgeben und uns ohne Ballast auf die fünfhundert Meter machen, die uns von unserer Erfrischung trennen. Zunehmend spürt man den kühlen Wind, winzige Wassertröpfchen glitzern im Sonnenlicht wie kleine Sterne und wir stehen vor einer Wasserwand, die aus über 30 m Höhe hinunterfällt. Jetzt, in der Nichtregenzeit, fällt das Wasser ziemlich gemütlich in den kleinen Pool am Fuße der Felswand. Wie schön ist ein Bad in diesem kleinen Becken.

 

Heute steht die ehemalige Hauptstadt Balis, Singaraja, auf dem Programm. Entlang der zunächst kurvenreichen Küstenstraße erreichen wir nach 30 km den belebten Ort. Zunehmend wird es heißer, Asphalt, Teer, Häuser strahlen gnadenlos die Mittagshitze zurück. Kein kühlender Wind belebt die Luft. Schon bei der ersten Fahrt rings um den Altstadtkern sehen wir, dass vom Charme der Zeiten vor 100 Jahren nicht mehr viel übrig geblieben ist. Am alten Hafen, von dem kaum mehr etwas zu sehen ist, wird gerade mit großem Aufwand eine Promenade für geplante zukünftige Touristenströme neu gestaltet. Hoffentlich machen diese Baumaßnahmen halt vor dem kleinen Küstenweg, der sich anschließt. Unter Schatten spendenden Bäumen flanieren wir durch das alte Wohnviertel der Fischer. Aus allen Ecken schallt uns ein fröhliches „Hallo“ entgegen, Hähne werden von ihren stolzen Besitzern zum Hahnenkampf abgerichtet. Kleine Reiskugeln werden zu kunstvollen, mit Bananenblättern umwickelten, essbaren Köstlichkeiten geschnürt. Hunde und Katzen, friedlich vereint mit Hühnern und Küken liegen ermattet im Schatten der Häuser. Versteckt in den kleinen Gassen entdecken wir noch die eine oder andere schöne Fassade im holländischen Kolonialstil.

 

Was für die Dolomiten die Sella-Ronda, ist hier auf Bali die Agung-Runde, die etwa 160 km lang ist und rund um den 3.142 Meter hohen Vulkan führt. Wie in den Dolomiten stehen wir auch hier früh auf, wenn der Tag noch kühl ist und die Sicht weit in die Ferne reicht. Also sitzen wir schon um halb sieben auf unserer Tiger und fahren wieder die atemberaubende Passstraße hinauf zum Batur-See. Obwohl mit dicker Jacke ausgestattet, frieren wir jämmerlich oben auf dem Kraterrand. So kalt hatten wir uns das nicht vorgestellt. Aber das was wir zu sehen bekommen, raubt uns den Atem und wir vergessen fast Fotos zu machen. Majestätisch hebt sich der heilige Berg aus den Wolken hervor und tief unter uns schimmert der türkisfarbene See im alten Kraterkessel, während Wolkenfetzen am gegenüberliegenden Kraterrand ins Tal stürzen. Ein wahrhaft mystischer Moment. Wir reißen uns von diesem Anblick los und zweigen kurz hinter Penelokan auf die steile Kraterrandstraße ab. Links der Straße fällt das Gelände fast senkrecht hinunter zum See. Rechts geht es, kaum weniger steil, zur Ebene von Zentralbali hinab. Wir müssen uns zwingen mit allen Sinnen beim Fahren zu sein. Einmal beim Bremsen verschätzt und es ginge deutlich nach unten. Kurz darauf fällt die Strecke in vielen Windungen hinab in Tal.

Nach zwanzig weiteren genussvollen Motorradkilometern zweigt die Straße zum heiligsten Tempel Balis ab, zum Muttertempel Pura Besakih. Alle Reiseführer haben uns vor dem Trubel und den vielen, teils aufdringlichen Händlern gewarnt. Heute aber sind die vielen fußballfeldgroßen Parkplätze leer, die meisten Läden sind geschlossen und fliegende Händler sind weit und breit nicht zu sehen. Nachdem wir pro Person die offiziellen 10.000 Rupien gezahlt haben, kostet der Abstellplatz für unser Motorrad „plötzlich“ auch noch 2.000 Rupien. Na ja, wegen umgerechnet 14 Cent wollen wir heute einfach nicht handeln. Weiter geht es durch üppige Palmenwälder, vorbei an Kaffee- und Bananenplantagen und die Kurvenkombinationen am Südhang des Vulkans. Nach fünfzig Kilometer erreichen wir die reizlose Stadt Amlapura. Reizlos deshalb, da nach dem verheerenden Erdbeben des Jahres 1976 die Stadt schnell und gesichtslos aufgebaut wurde. Wenige Kilometer nordwärts kommen wir nach Tirtagangga, einem kleinen Dorf, das hauptsächlich durch die wieder aufgebauten königlichen Bäder bekannt ist. Aber was wir bisher von malerischen Reisterrassen gesehen haben, verblasst vor diesen Bildern, die sich uns direkt vor dem Motorrad bieten. Smaragdgrün, tief dunkelgrün oder gleich daneben hellgrün leuchten die Reisfelder in der Sonne. In den kunstvoll angelegten Terrassenfeldern tummeln sich hunderte Enten, die laut schnatternd nach allerlei Essbaren gründeln. Bauern pflanzen mit sicherer Hand neue Setzlinge in präziser, gerade Linie inmitten des Wasserlabyrinths. So langsam schmerzen die Ohren vom vielen Helm ab, Foto machen, Helm auf, Helm ab, Foto machen, …

 

Auf der Weiterfahrt auf fast geraden Straßen durch die Dörfer wird es zunehmend heißer und der Fahrtwind fühlt sich eher nach einem heißen Fön an. Die Landschaft passt dazu, denn große, schwarzbraune Lavafelder, kaum bewachsen mit vertrocknetem Gras finden sich nun links und rechts der Straße. Selbst die Kokospalmen tragen nur einen traurigen Rest der sonst so ausladenden Palmwedel. Der heilige Berg, der Vulkan Agung, hat hier 1975 mit der Verwüstung weiter Teile Ostbalis ganze Arbeit geleistet. Erst nach über zehn Kilometer wird es wieder kühler, wieder lieblicher. Vorbei an den angesagten Tauchgründen der Nordküste sind wir zurück auf der, von den Einheimischen scherzhaft Highway No. 1 getauften, Küstenstraße. Kerzengerade geht es mit berauschenden 80 km/h zu unserem Ausgangspunkt in Bondalem. 160 km Agung-Runde, wir könnten mental gleich wieder fahren, wenn da nicht das schmerzende Hinterteil sein Veto einlegen würde.

 

Nun heißt es Abschied nehmen vom Bali Mandala Resort in dem wir zehn Tage unsere Seele haben baumeln lassen dürfen. Nächstes Ziel ist nun, der besonders bei Tauchern beliebte Ort Amed ganz im Osten.

 

Am nächsten Morgen beschließe ich wieder mal eine Vulkanumrundung zu machen. Direkt von Amed führt die kleine Straße rund um den alten 1.175 m hohen Vulkan Seraga. Schmal, mit atemberaubenden Blicken in die vielen kleinen Buchten, in denen die für diese Gegend typischen Auslegerfischerboote liegen, geht es bis in den Ort Kasanda. Hier, am östlichsten Punkt Balis sieht man normalerweise die Nachbarinsel Lombok. Heute jedoch nicht, dafür viel Wind und bis zu sechs Meter Wellen, die sich tosend an den Felsen brechen, dass der Boden unter den Füßen leicht zittert. Ab hier schwingt sich die immer kurvenreichere Straße weiter vom Meer weg und den Vulkan hinauf. Wieder wird es kühler, wieder durchziehen Nebelschwaden die Wälder. Zwei Kilometer weiter hört das asphaltierte Band abrupt auf und wird durch eine erstaunlich gute, schwarzgraue Vulkansandpiste ersetzt. Durch winzige Dörfer führt der weitere Weg und man hat mehr als einmal den Eindruck mitten durch die Wohnzimmer der Bewohner zu fahren. Großes Hallo der Kinder begrüßt mich stets beim Vorbeifahren. Offensichtlich kommen in diese Gegend, fernab vom Tourismus, nicht viele Fremde und so ist die Freude über den fremden Motorradfahrer besonders groß. Schließlich kann man ihm, in einem erstaunlich guten Englisch, doch so viele Fragen stellen. Und so sind die acht Kilometer Piste viel zu schnell vorbei und ab Seraya geht’s wieder hinunter Richtung Meer auf einer überraschend breiten und guten Straße. Den berühmten Wassertempel schaue ich mir nur von außen an, denn ein wenig drängt die Zeit, schließlich möchte ich noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück in Amed sein.

 

Der letzte Quartierwechsel zurück nach Ubud steht heute auf dem Programm. Nochmals vorbei am Rausch des Grüns der Reisterrassen zu einem kaum bekannten Aussichtspunkt im Dorf Putung. Die Aussicht über die Insel bis hinunter zum Lombok-Fährschiff-Hafen ist sehenswert, das kleine Restaurant dagegen weniger. Heruntergekommene Gebäude eines alten Hotels und kaputte Tische mit schmuddeligen Tischdecken lassen uns nur eine Cola aus der Flasche bestellen.

Bei der Weiterfahrt merken wir zu spät, dass wir auf der Hauptstraße nach Semarapura, in alten Karten noch als Klungklung bezeichnet, sind. Große, alte Baulastwagen verdunkeln den Himmel mit riesigen schwarzen Dieselrußwolken. Die Taktik, die Luft anzuhalten bis wir überholt haben, klappt diesmal nicht, denn der nächste Rußwolkenmacher fährt keine zwanzig Meter weiter voraus. Ab Semarapura werden die Lastwagen zum Glück wieder weniger, der allgemeine Verkehr bleibt jedoch gewaltig. Die Fahrt auf und durch die berühmte Lücke im Verkehr macht aber trotzdem riesigen Spaß. In Ubud angekommen ist erst mal duschen angesagt. Das, was da von den Armen runterkommt, kann sich sehen lassen. In Worten: einfach nur schwarze Brühe. Wir dürfen gar nicht daran denken, wie es wohl in unseren Lungen aussieht.

 

Bei der ersten Fahrt in den Norden hatten wir ja vor Regen und Nebel kaum links und rechts der Straße gesehen. Auch nichts vom wohl bekanntesten Fotomotiv auf Bali, dem im Wasser des Bratan Sees stehenden Tempels. Die Suche nach der richtigen Straße nach Norden ist auch beim zweiten Mal nicht einfacher. Und wir wollen diesmal abseits der Hauptstraße fahren. Schließlich finden wir den Weg über Sangeh bis Petang. Fahrerisch nicht anspruchsvoll, versüßen uns aber die Farben der Dörfer und die vielen exotischen Düfte und der wenige Verkehr den Weg.

 

In Petang soll uns laut Karte eine Verbindungsstraße wieder auf die Hauptstraße bringen. Zum Glück hält gerade ein Forstbeamter, den wir fragen können. Drei Kilometer seien es bis dorthin. Und er rät uns eindringlich langsam und ganz vorsichtig zu fahren. Warum sollte uns nach nicht einmal fünfhundert Metern blitzartig klar werden. Die Straße, in der Karte als gut eingezeichnet, ist kaum noch zu erkennen. Tiefer Schotter, nicht weniger tiefe Löcher in denen ein ganzes Motorrad problemlos verschwinden kann, direkt vor uns. Nur noch im ersten Gang, rede ich der Honda Tiger und natürlich mir ein, wir fahren auf einer Hardenduro und uns kann nichts aufhalten. Trotzdem geht es nur noch leidlich voran, die Federung schlägt durch, der Hauptständer setzt unsanft auf und das ganze gepaart mit der fast schon balitypischen Steigung von über 30 %. Nach gefühlter unendlicher Zeit erreichen wir doch noch unbeschadet die Hauptstraße. Kaum zu glauben, dass dies nur drei Kilometer gewesen sein sollen.

 

Die vielen Kurven hoch zum Pass machen daher heute ganz besondere Freude. Das Ziel, der Wassertempel ist erreicht. Doch alles kommt uns ein wenig merkwürdig vor. Nach Zahlung von 2.000 Rupien mit Quittung für Motorrad und 10.000 Rupien Eintritt pro Person käme doch normalerweise der vorgeschriebene Punkt sich mit der entsprechenden Kleidung, dem Sarong, für den Tempel fein zu machen. Des Rätsels Lösung kommt gleich, denn der Tempel ist von Heerscharen von Touristen umlagert und offensichtlich als Tribut an den Massentourismus hat man die Kleidervorschrift abgeschafft. Der Tempel und die gesamte Anlage ist vom Heiligtum zum reinen Fotomotiv degradiert. Wenn auch zugegeben zu einem sehr schönen. Die Wolken ziehen sich mehr und mehr zusammen, es beginnt bereits leicht zu regnen. Höchste Zeit wieder ins Tiefland nach Ubud zu fahren. Leider können wir nicht wie die einheimischen Zweiradfahrer einen Regenponcho überziehen und so müssen wir durch den nun wolkenbruchartigen Schauer hindurch. Visier zu und auf die warme Dusche im Hotel freuen ist nun die Devise.

 

Unsanft klingelt am nächsten Morgen bereits um acht Uhr das Telefon. Am anderen Ende unser Motorradvermieter und, er ist schon im Foyer des Hotels. Viel zu schnell müssen wir unsere liebgewonnene Tiger, die uns fast 1.000 Kilometer ohne Mucken und Zicken begleitet hat, abgeben.

 

Der Motorradtraum Bali ist zu Ende, aber die unendlichen Eindrücke, die Tempel, die Vulkanlandschaften, die Reisterrassen und nicht zuletzt die freundlichen und warmherzigen Menschen bleiben im Herzen.

 

© 2009